KI, die denkt?

Habt ihr schon von o1 gehört, dem neuen KI-Tool von OpenAI? Lange gab es Gerüchte über das neue “Strawberry”-Modell und nun ist es da und heißt langweilig o1. Warum überhaupt Strawberry? Weil das neue Tool die R in Strawberry korrekt zählen kann – woran die meisten anderen Modelle bei allen beeindruckenden Fähigkeiten regelmäßig scheitern. Obwohl das Zählen von Buchstaben nichts ist, was mir im Alltag nützt, hat o1 die KI-Welt in Aufregung versetzt. Kann dieses Tool etwa denken? 

Drache entzündet Glühbirnen mit seinem Feuer

Was macht o1 besonders?

Stell dir vor, dein Computer arbeitet langsamer. Frustrierend, oder? Bei o1, den neuen Modellen von OpenAI, ist das Absicht. Es arbeitet langsamer, dafür aber gründlicher. Und das Spannende: Es zeigt dir Teile seines „Denkprozess“. Es nutzt dabei die sogenannte Chain-of-Thought-Methode

Chain-of-Thought ist eine Gedankenkette. Statt die KI einfach nach einer Antwort zu fragen, geht sie Schritt für Schritt durch den Denkprozess und nimmt ihre Gedanken aus vorigen Schritten in die nächsten Schritte mit.

Mich hat o1 gleichzeitig beeindruckt, enttäuscht und ermutigt. Warum?

Was mich beeindruckt:

  • o1 liefert bessere Antworten bei komplexen Themen und in mehrschrittigen Prozessen.
  • Du siehst, wie KI „denkt“. Das macht die Antworten nachvollziehbarer und Du kannst deinen Prompt vermutlich einfacher optimieren.
Drache reitet auf Schildkröte

Was mich enttäuscht:

  • Die Grundidee ist nicht neu. Wir kennen das schrittweise Vorgehen schon lange als Trick in der Prompting-Kiste.
  • Für schnelle Aufgaben ist es zu langsam und bei meinen Tests „schwafelte“ das Modell oft in sehr langen Antwort-Texten, die weit über meine gestellte Aufgabe hinausgingen. (Vielleicht auch, weil meine Custom Instructions, sich kurz zu halten, ignoriert werden.)
  • o1 fehlen viele der anderen wichtigen Fähigkeiten von 4o: Es kann nicht browsen, verarbeitet keine Bilder, Daten und weiteres. Ein Tool, das erst ordentlich recherchiert, dann fundiert analysiert und dann liebevoll formuliert, wäre toll, aber ohne die Internetanbindung oder die Möglichkeit, Dateien hochzuladen, ist es (noch) ziemlich nutzlos.
  • o1 ist bisher nur in der Bezahlversion verfügbar.
  • Es besteht die Gefahr, menschliches Denken in die KI-Prozesse hineinzuinterpretieren, zumal die Formulierungen des Modells dazu einladen.
Drache lässt Seifenblasen mit Krallen zerplatzen

Was mich ermutigt

o1 zeigt, was mit Chain-of-Thought möglich ist und wie viel besser Antworten mit dieser Technik werden. Und da wir die Technik selber in jedem Modell (auch in allen Gratis-Versionen) nutzen können, macht mir das Mut, mehr Energie in gutes Prompting zu stecken, um bessere Ergebnisse bei komplexen Aufgaben zu erzielen. Wollt ihr es ausprobieren?

Drache puzzelt

Wie funktioniert Chain of Thought für dich?

Statt die KI direkt nach einer Antwort zu fragen, führst du sie Schritt für Schritt durch den Denkprozess. Du stellst Zwischenfragen, gibst Feedback und lenkst. Das ist, als würdest du mit der KI zusammen ein Puzzle legen: Ihr betrachtet jedes Teil einzeln, bevor ihr es ins Gesamtbild einfügt.

Du kannst 

  • die Fragen Schritt für Schritt stellen,
  • du kannst alle Fragen auf einmal stellen und angeben, dass sie nach jedem Schritt um dein Feedback bitten soll
  • oder du bittest die KI, die Gedankenkette selber zu entwickeln. Siehe dazu meinen Beispiel-Prompt ganz unten.

Lass uns das konkret anschauen:

1. Du möchtest einen LinkedIn-Post erstellen

Bisher sagst du vermutlich so was: „Schreib einen LinkedIn-Beitrag über Plastikvermeidung.“ Und erhältst… nun ja, sagen wir mal einen durchschnittlichen Text.

Mit Chain-of-Thought fragst du schrittweise nach einem oder mehreren Vorschlägen und wählst immer den vielversprechendsten für die nächste Frage aus. Zum Beispiel so:

Hilf mir einen Linkedin-Beitrag zu erstellen, lass uns Schritt für Schritt vorgehen:

  • Analysiere den Post kritisch: Was könnte noch verbessert werden?
  • Welche innovativen Ansätze gibt es zur Plastikvermeidung?
  • Formuliere die Kernbotschaft für Linkedin informativ, emotional und provokativ.
  • Erzähle eine für Linkedin passende Geschichte in einem kurzen Beitrag.
  • Welche Einstiegssätze würden die Aufmerksamkeit der Leser sofort fesseln?
  • Welche konkreten Handlungen sollen die Lesenden ergreifen?
  • Beschreibe ein Bild, das unsere Botschaft visuell unterstützt.

2. Du planst eine überzeugende Präsentation

Du bittest um die Umwandlung einer Studie in Textbausteine für eine Präsentation und erhältst… wenig inspirierte Textblöcke.

Mit Chain-of-Thought gehst du so vor:

  • Was sind Ziele und wer ist die Zielgruppe dieser Präsentation?
  • Welche Informationen sind unbedingt erforderlich?
  • Entwickle ein/zwei/drei verschiedene Gliederungsmöglichkeiten.
  • Erstelle den Text für die ersten 2-3 Folien (in Bullet Points/Fließtext o.ä.)
  • (überarbeite den Text so, wie er passt)
  • Erstelle ausgehend vom erarbeiteten Beispiel die Texte für alle Folien.

3. Du entwickelst eine effektive Fundraising-Kampagne

Mit Chain-of-Thought gehst du es so an:

  • Wer sind unsere potenziellen Unterstützer*innen? Sei so konkret wie möglich. Analysiere anonymisierte Daten aus euren Zielgruppen. […]
  • Analysiere unsere letzten 3 erfolgreichen Fundraising-Newsletter [… ]. Was hat sie erfolgreich gemacht?
  • Entwickle drei unterschiedliche, kreative Ideen für die Kampagnenstory.
  • Erzähle aus Vorschlag [XY] eine Geschichte.
  • Formuliere ein Mailing/ einen Aufruf basierend auf unserem Sprachstil aus den geteilten Beispielen. Schreib wie wir.
  • Mache Vorschläge für Social Media auf [Plattform]
  • Analysiere die Strategie kritisch: Wo könnten potenzielle Schwachstellen liegen?

So, diese Beispiele sollten zur Verdeutlichung reichen, oder?

Drache baut mit Legosteinen

Fazit: Nützlich für deine NGO-Arbeit?

o1 und die Chain-of-Thought-Methode sind nicht perfekt. Aber sie können sehr nützlich für deine NGO-Arbeit sein. 

Probiere es aus! Experimentiere mit verschiedenen Tools und finde heraus, was für dich am besten funktioniert. Bleib kritisch und überprüfe die Ergebnisse. Und das Wichtigste: Teile deine Erfahrungen mit anderen! Nur so können wir alle gemeinsam besser werden.

Falls du gar nicht weiß, wie du anfangen sollst: Probiere es mit diesem Prompt. Tausche die Infos in den Klammern einfach aus. 

  • Rolle: Du bist ein Prompt-Engineer. 
  • Aufgabe: Erstelle einen Chain-of-Thought-Prompt mit [5] Schritten für die durchdachte Erstellung eines [Linkedin-Posts] mit KI. Der Prompt soll die KI zwingen, in [5] Einzelschritten Vorschläge für den Post zu entwickeln. Formuliere den fertigen Prompt. 
  • Vorgaben: 
    • Formuliere so, dass ich nach jedem Schritt Feedback geben muss, bevor die KI weiterarbeitet.
    • Biete an, die Fragen selber zu beantworten oder dir Input durch den Nutzer geben zu lassen.

Wenn die KI einen Prompt mit für dich passenden Einzelschritten entworfen hat, sag ihr, dass sie ihn laufen lassen soll 🙂

Also, worauf wartest du? Welches Konzept oder welchen Post willst du mit Chain-of-Thought besser machen?